Mit Kindern über Trauma sprechen: Seelische Verletzungen, die sich in einer (komplexen) posttraumatischen Belastungsstörung manifestieren, können im Rahmen einer Therapie mit PITT-KID auch bei bereits sehr kleinen Kindern erfolgreich behandelt werden.
Doch wie kann den jungen Patienten am besten verständlich gemacht werden, welche Programme im Gehirn ablaufen und wie wiederkehrenden, belastenden Situationen der Schrecken genommen werden kann?
Der kleine Max* (Anm.: Name frei erfunden) hat in seinem noch jungen Leben lernen müssen, dass seine Bedürfnisse immer wieder vernachlässigt oder sogar bewusst missachtet wurden. Dadurch hat sich bei Max, der mittlerweile in einer liebevollen und wohlwollenden Umgebung aufwächst, ein Ich-Anteil verankert, der destruktive Verhaltensweisen fördert.
Die Vergangenheit hat sich wie ein Schatten über seine Seele gelegt: Das Kind hat eine massive Beziehungsstörung zu seiner Mutter entwickelt. Die traumatische Erfahrung führt dazu, dass Max niemanden vertrauen möchte, nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Dies wiederum löst Gefühle von Wut oder Traurigkeit in ihm aus.
In der traumatherapeutischen Arbeit mit Kindern gibt es verschiedene, differenzierte Ansätze zur gezielten Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS). In unserer Praxis in Zürich arbeiten wir u.a. mit der sog. psychodynamisch, imaginativen Methode PITT-KID.
«Im Spiel zeigen Kinder ihre Innenwelt» referiert Andreas Krüger, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mit eigener Praxis in Hamburg. Er hält es für wichtig, «dass man diese gespielte Realität sehr ernst nehmen sollte». Kinder hätten «weder die intellektuelle Reife noch das Zeitverständnis», um das Geschehene in Worte fassen, begreifen oder mit Abstand betrachten zu können.
Die Behandlung muss daher kindgerechte, psychoedukative Elemente zugrunde legen, die es ermöglichen, den jungen Patienten spielerisch zu erklären, welche Mechanismen durch eine Traumafolgestörung ausgelöst werden und wie diese bewältigt werden können.
In der therapeutischen Arbeit ist es wichtig, sehr behutsam vorzugehen und das Kind Schritt-für-Schritt an das Trauma heranzuführen. Auf somatischer bzw. neurophysiologischer Ebene kann das Kind Symptome, wie z.B. Zittern, Schwindel oder Panik erfahren, die sich in Herzrasen, Schweissausbrüchen oder einer beschleunigten Atmung äussern kann. Diese körperlichen Empfindungen begleiten oft die psychischen Symptome (z.B. Flashbacks, Dissoziation, Hyperarousal).
Der/die Therapeut:in sollte als Grundstein einer erfolgreichen Behandlung zunächst ein Vertrauensverhältnis schaffen, dass das Kind in den Mittelpunkt stellt und einen altersgerechten Dialog ermöglicht. Besonders kleine Kinder drücken sich, wie oben beschrieben, im Spiel aus. Hierbei helfen Puppen, Kuscheltiere, Figuren oder Spielsachen, mit denen dem Kind geholfen werden kann, seine Situation aus einer Aussenperspektive zu betrachten.
So konnte Max im Rahmen der Therapie lernen, wie er dem «kleinen Max» (stellvertretend eine Stoffpuppe) in einer belastenden Situation zur Seite stehen und einen positiven Ausgang ermöglichen kann. Gelingt dann später die Übertragung auf das reale Ich, so ist dies als Therapieerfolg zu werten.
Sowohl bei akuten als auch bei (früh) chronisch-komplexen Traumafolgestörungen hat sich PITT-KID bewährt. Im Rahmen der Methode wurde eine reiche, standardisierte Bildsprache entwickelt, die einen Zugang zu jungen Menschen aller Altersstufen eröffnet. Der soziale Kontext aus familientherapeutischer, systemischer Perspektive wird traumapsychologisch fundiert ebenso berücksichtigt wie entwicklungsbezogene Aspekte der Behandlung von Kindern und Jugendlichen.
Insbesondere geht es um die Nutzung entwicklungsabhängiger «Quellen der Kraft» sowie die imaginative Arbeit im Spiel und bei gedanklicher Auseinandersetzung, die viele Patient:innen da abholt, wo Ressourcen und Selbstheilungskräfte vorhanden sind.
PITT-KID berücksichtigt entwicklungspsychologische Aspekte von Symptomatik und Therapie und integriert eine kindgerechte Psychoedukation sowie Ego-State-Methode. Die Methode wird der Versorgung von Kindern ab etwa zwei Jahren bis zum jungen Erwachsenenalter gerecht. Eine partizipative Allianz mit dem fürsorglichen sozialen Umfeld potenziert Heilungserfolge und macht sie oft überhaupt erst möglich.
Die Wirksamkeit des Verfahrens wurde im Rahmen einer Evaluationsstudie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) nachgewiesen. Die Pilotstudie, geleitet von der Psychologin Judith Silkenbeumer, stützt sich auf Daten testpsychiologischer Untersuchungen im ambulanten Behandlungssetting. Die Studie liefert Hinweise, dass PITT- KID zu einer Reduktion posttraumatischer Symptome führen kann.
Konkret werden im Verlauf der Therapie drei Phasen durchlaufen:
- Phase 1: Stabilisierungsphase: Symptomreduktion und Ressourcenmobilisierung
- Phase 2: Traumakonfrontation
- Phase 3: Integration, Trauern und Neubeginn.
Neben diesem klar strukturierten Behandlungskonzept ist das Verfahren gleichzeitig an der Lebenswirklichkeit der Patienten orientiert. Die akuten, heilungsrelevanten Bedürfnisse von Kind und sozialem Umfeld stehen im Vordergrund: Denn das Miteinander ist wichtig für heilsame Beziehungserfahrungen im Therapieprozess.
Sie sind Therapeut:in und wollen die PITT-KID Methode in ihre therapeutische Arbeit einbeziehen, um mit Kindern über Trauma zu sprechen? Kontaktieren Sie uns für detaillierte Informationen zu unseren jährlich stattfindenden Kursen.